Berichterstattung über Werkstätten für behinderte Menschen

Berichterstattung über Werkstätten für behinderte Menschen

Am 22.01.2025 veröffentlichte die Märkische Allgemeine Zeitung MAZ unter der Überschrift „Wer den ganzen Tag arbeitet, muss davon leben können“ einen Beitrag, der die Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten thematisiert. Anlass war eine Pressemitteilung der Brandenburger Landesbehindertenbeauftragten Janny Armbruster vom 06.01.2025, die darin die Arbeit der Werkstätten für behinderte Menschen im Land kritisiert und in Frage stellt. „Die Werkstätten seien nicht das, was wir unter Teilhabe am Leben in unserer Gesellschaft verstehen“, heißt es in der Pressemitteilung.
Im Beitrag der MAZ findet auch Christoph Lau als Vorsitzender der LAG WfbM Brandenburg e.V. Erwähnung. Die Zitate stammen aus einer öffentlichen Erklärung, die wir hier im vollständigen Wortlaut veröffentlichen.

Standpunkt der LAG WfbM Brandenburg e.V. zur Berichterstattung über Werkstätten für behinderte Menschen

von Christoph Lau, Vorsitzender des Vorstands

Die öffentliche Debatte zu den tariflichen Bedingungen und der Bezahlung von Werkstattbeschäftigten geht von der Annahme aus, als würde es sich bei Werkstätten um gewerbliche Unternehmen handeln, die einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb verfolgen. Jedenfalls lassen sich verschiedene Forderungen, etwa zum Mindestlohn, nur aus dieser Annahme heraus erklären.
Ich möchte hier einzuordnen und verdeutlichen, dass diese Annahme an der Realität von Werkstätten und der Beschäftigten vorbeigeht.

Im Bundesland Brandenburg leben aktuell 268.000 Menschen mit einer Schwerbehinderung; siehe hier. Etwa 10.000 von ihnen sind in Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt. Ein sehr geringer Teil, weniger als 4%. Diejenigen also, die es selbst im Vergleich zu den restlichen 96% der schwerbehinderten Menschen im Arbeitsleben besonders schwer haben und die in ihrem Alltag auf umfassende Unterstützung angewiesen sind. Für die Aufnahme in eine Werkstatt gelten Zugangsvoraussetzungen, die die zuständigen Behörden – die Arbeitsagentur, die Rentenversicherung oder die Sozialhilfeträger – für jeden Einzelfall prüfen.

Als Sozialarbeiter und Werkstattleiter bin ich überzeugt, dass auch Menschen mit einer geminderten Leistungsfähigkeit Anspruch haben auf berufliche Teilhabe – und zwar unabhängig vom materiellen Mehrwert ihrer Arbeitskraft. Werkstätten stehen außerhalb der Wettbewerbsbedingungen des Arbeitsmarktes. Genau das ist ihre Legitimation. Deshalb kann die Eigenlogik von Werkstätten keine rein betriebswirtschaftliche sein, die den Prinzipien von Effizienzsteigerung und Arbeitskraftverwertung verpflichtet wäre. Der gesetzliche Mindestlohn ist ein Produkt der Leistungsbedingungen des Arbeitsmarktes, die in einer Werkstatt aus guten Gründen nicht gelten können.

Werkstätten reduzieren nicht ihre “Belegschaft”, weil es die Auftragslage nahelegt, wir trennen uns nicht von sinnvollen aber weniger ertragreichen Aufträgen und auch nicht von Beschäftigten, die zum gewerblichen Gesamtergebnis vielleicht nur einen kleinen Beitrag leisten können. All das wäre mit Blick auf die gesellschaftliche Aufgabe von Werkstätten absurd – für eine wirtschaftliche Ertragssteigerung aber notwendig.

Deshalb wird eine Werkstattbeschäftigung nie unabhängig von weitergehenden Sozialleistungen zu sehen sein. Was etwa den oft zitierten Stundenlohn in Werkstätten angeht, so ließe sich sicher eine Summe in Euro und Cent ausrechnen; und oft genug wird dies an anderer Stelle auch getan. Die Missverständlichkeit einer solchen Rechnung ist aber in jedem Fall höher als die Aussagekraft. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass das Arbeitsentgelt aus der Werkstattbeschäftigung mit einer Vielzahl weiterer Ansprüche auf Sozialleistungen verbunden ist. Zählt man diese hinzu, sieht die Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten schon etwas anders aus. Man könnte immer noch sagen, dass dies zu wenig ist, so wie es für andere Bezieher von Sozialleistungen auch zu wenig sein mag. Werkstätten sind nur als Sozialleistung zu verstehen, als Ergänzung zum Arbeitsmarkt – nicht aber als Teil des Arbeitsmarktes mit Tarifparteien und Mindestlohn.

Wer den Mindestlohn in Werkstätten fordert, muss sich zu den Bedingungen bekennen, die notwendig sind, ihn zu erwirtschaften. Genau da wird die Widersprüchlichkeit dieser Forderung deutlich. Es ist die Aufgabe von Werkstätten, eben gerade Menschen zu beschäftigen, deren gewerbliche Wertschöpfung nicht den Vergleichswerten des Arbeitsmarktes entspricht.

Die Teilhabeleistungen, die umfassende Assistenz, die individuelle Aufbereitung von Arbeitsschritten, die persönliche Wertschätzung und das wechselseitige Vertrauen machen den Alltag in einer Werkstatt aus und sind ein wichtiger Teil der Lebensqualität der hier beschäftigten Menschen.

Schichtwechsel 2024: Arbeiten in bester Gesellschaft

Schichtwechsel 2024: Arbeiten in bester Gesellschaft

Aktionstag am 10. Oktober 2024 in ganz Deutschland / Arbeitsplatztausch eröffnet neue Perspektiven / Bundesministerium für Arbeit und Soziales und bayerischer Ministerpräsident nehmen teil

Am kommenden Donnerstag, dem 10. Oktober 2024, findet zum sechsten Mal der bundesweite Aktionstag Schichtwechsel statt. Beschäftigte aus Werkstätten für behinderte Menschen und Mitarbeitende aus Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes tauschen an diesem Tag ihre Arbeitsplätze. Sie lernen neue Perspektiven kennen, tauschen sich persönlich aus und räumen so gemeinsam mit Klischees über Werkstätten für behinderte Menschen auf.

Wenn es darum geht, Teilhabe am Arbeitsleben in Deutschland zu organisieren, kommt Werkstätten eine zentrale Rolle zu. Sie bieten Rehabilitation durch arbeitsmarktnahe, wertschöpfende Tätigkeiten für Menschen mit Behinderungen. Von der Arbeit in Werkstätten haben die meisten Menschen aber nur eine sehr grobe Vorstellung. Beim Aktionstag Schichtwechsel können Mitarbeitende aus Unternehmen daher selbst an den Arbeitsprozessen in den Werkstätten mitwirken und neben den vielseitigen Dienstleistungen und Produkten auch die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen kennenlernen. Beschäftigte der Werkstätten wiederum sammeln im Rahmen des Schichtwechsels Erfahrungen in Berufsfeldern des allgemeinen Arbeitsmarkts.

Die Umsetzung des bundesweiten Aktionstages wird von der Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen (BAG WfbM) koordiniert. Entwickelt wurde der Schichtwechsel von den 16 Berliner Werkstätten und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Berlin.

Wachsende Zahl an Tauschaktionen: Auch Politik ist dabei

Martin Berg, Vorstandsvorsitzender der BAG WfbM sagt: „Der Schichtwechsel bietet auch in diesem Jahr wieder die Gelegenheit, mit Menschen in Werkstätten ins Gespräch zu kommen. Bestätigt wird das Konzept des Aktionstages durch die wiederholte Teilnahme vieler Unternehmen und Werkstätten. Ganz besonders freut uns, dass in diesem Jahr auch wieder Vertreter*innen von Politik und Behörden ihre Teilnahme am Schichtwechsel zugesagt haben. Denn vor dem Hintergrund einer möglichen Reform der Werkstattleistung können Werkstätten im Rahmen des Schichtwechsels ihre Offenheit für Veränderungen unterstreichen“.

Bereits am 20. September 2024 machte der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder den Auftakt für den diesjährigen Schichtwechsel. Er arbeitete im Seifen-Werk BADELIEBE der Lebenshilfe Nürnberg mit. „Werkstätten für Menschen mit Behinderung leisten einen enorm wichtigen Beitrag. Am 10. Oktober findet die Aktion Schichtwechsel mit Arbeitsplatztausch statt – eine tolle Sache! Der Aktionstag zeigt, wie wichtig es ist, Barrieren abzubauen und Brücken zu bauen“, so Söders Fazit in einem Facebook-Beitrag.

An den Standorten Berlin und Bonn des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden mehrere Mitarbeitende am Aktionstag Schichtwechsel teilnehmen, darunter Staatssekretär Dr. Rolf Schmachtenberg.

Unternehmen und Institutionen, die beim Aktionstag Schichtwechsel 2024 dabei sein möchten, können sich auch weiterhin direkt an eine Werkstatt für behinderte Menschen in ihrer Region wenden. Eine aktuelle Liste der angemeldeten Werkstätten sowie weitere Informationen gibt es auf der Website schichtwechsel-deutschland.de.

Mit freundlichen Grüßen
Jana Niehaus

Leitung Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen
Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen e. V.
Oranienburger Straße 13/14 | 10178 Berlin
Telefon +49 30 9 44 13 30 26
E-Mail j.niehaus@bagwfbm.de

PDF Pressemitteilung | 1MB

Schichtwechsel 2024 in der Caritas-Werkstatt Oranienburg

Auch in diesem Jahr beteiligt sich die Caritas-Werkstatt Oranienburg am bundesweiten Aktionstag Schichtwechsel. Vier Werkstattbeschäftigte freuen sich schon auf einen sicher wieder aufschlussreichen Tag mit interessanten Einblicken und Erfahrungen. Partnerunternehmen wird die Stadtverwaltung Hohen Neuendorf sein, die in Stellenanzeigen im stadteigenen Corporate Design für eine Mitarbeit im Bauhof, im Stadtarchiv, im Rathausempfang und im Außendienst geworben hat. Im Gegenzug können vier Gäste den Arbeitsalltag in verschiedenen Abteilungen der Caritas-Werkstatt miterleben und sich von der Bedeutung der Werkstatt für die Beschäftigten überzeugen. Das Foto zeigt die Begrüßung der Werkstattbeschäftigten im Rathaus von Hohen Neuendorf durch Steffen Apelt, den Bürgermeister der Stadt beim Schichtwechsel im vergangenen Jahr.

Schichtwechsel 2024 in den DRK Werkstätten Potsdam

Die DRK Werkstätten beteiligen sich in diesem Jahr das zweite Mal am Aktionstag Schichtwechsel.

Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr waren für alle sehr vielfältig.

Die überaus positiven Erkenntnisse waren für unsere Beschäftigten in ihrer Entwicklung sehr hilfreich.

In diesem Jahr haben wir Tauschpartner aus verschiedenen Bereichen gewinnen können.

In der Stadt- und Landesbibliothek wird ein Beschäftigter tätig sein und eine Mitarbeiterin aus der Bibliothek wird unsere Werkstatt besuchen.

Das Hauptzollamt Potsdam konnte uns gleich zwei Tauschplätze zu Verfügung stellen. Im Gegenzug werden Kollegen des Zolls die Arbeitsplätze unserer Beschäftigten in Augenschein nehmen.

In der Seniorenresidenz Sternenblick der Azurit Gruppe, werden zwei Werkstattbeschäftigte den Küchen- und Servicebereich kennenlernen.

Wir eröffnen den Tag mit einem kleinen gemeinsamen Frühstück aller Beteiligten und letzten Informationen in unserer Werkstatt.
Am Nachmittag findet dann noch eine Feedback Runde statt.

Der Tag wird sicherlich wieder sehr ereignisreich und interessant für alle Beteiligten.

Begleitet wird der Tag durch unseren Kollegen F. Lamster, der verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit ist.

Stellungnahme: „207 Euro Verdienst im Monat bei 30 Wochenstunden“

Stellungnahme: „207 Euro Verdienst im Monat bei 30 Wochenstunden“

Am 30.08.2023 erschien in der Lokalpresse unseres Geltungsbereiches ein Beitrag, der sich mit der Einkommenssituation von Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen im Land Brandenburg befasst. Hier geht es zum Artikel.

Der Vorstand der LAG WfbM Brandenburg e.V. veröffentlicht dazu folgenden Standpunkt als Leserbrief an die zuständige Redakteurin:

Liebe Frau Rakitin,

im Oranienburger Generalanzeiger vom 30.08.2023 und auf MOZ.de berichten Sie über Ihre Beobachtungen, die Sie in Werkstätten für behinderte Menschen in unserer Region gemacht haben. Die Beobachtungen fassen Sie in der Überschrift „207 Euro Verdienst im Monat bei 30 Wochenstunden“ zusammen.

Im Bundesland Brandenburg leben aktuell 267.000 Menschen mit einer Schwerbehinderung. Etwa 10.000 von ihnen sind in Werkstätten für behinderte Menschen beschäftigt. Ein sehr geringer Teil also, der in besonders umfassender Weise auf Unterstützung im Alltag angewiesen ist.

Sie stellen die gewerbliche Wertschöpfung der Werkstattbeschäftigten in das Verhältnis zum gesetzlichen Mindestlohn, einem Instrument der Wettbewerbswirtschaft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Wir möchten hier nicht näher auf die Bedingungen eingehen, unter denen Menschen in vielen Branchen diesen Mindestlohn erarbeiten, die uns im Zweifel jedenfalls nicht erstrebenswert erscheinen.

Werkstätten stehen außerhalb der Wettbewerbsbedingungen des Arbeitsmarktes. Genau das ist ihre Legitimation. Deshalb kann die Eigenlogik von Werkstätten keine rein betriebswirtschaftliche sein, die den Prinzipien von Effizienzsteigerung und Arbeitskraftverwertung verpflichtet wäre.

Wir sind überzeugt, dass Menschen auch mit einer Erwerbsminderung Anspruch auf berufliche Teilhabe haben, und zwar unabhängig vom materiellen Mehrwert ihrer Arbeitskraft – selbst wenn dieser nur bei 1,50 Euro pro Stunde liegt. Dies ist nicht zu kritisieren, es ist Aufgabe von Werkstätten für behinderte Menschen. Diese Teilhabeleistungen, die umfassende Assistenz, die individuelle Aufbereitung von Arbeitsschritten, die persönliche Wertschätzung und das wechselseitige Vertrauen machen den Alltag in einer Werkstatt aus und sind ein wichtiger Teil der Lebensqualität der hier beschäftigten Menschen.

Werkstätten reduzieren nicht ihre „Belegschaft“, weil es die Auftragslage nahelegt, wir trennen uns nicht von sinnvollen aber weniger ertragreichen Aufträgen – und auch nicht von Beschäftigten, die zum gewerblichen Gesamtergebnis vielleicht nur einen kleinen Beitrag leisten können. All das wäre mit Blick auf die gesellschaftliche Aufgabe von Werkstätten absurd – für eine wirtschaftliche Ertragssteigerung aber notwendig.

Deshalb wird eine Werkstattbeschäftigung nie unabhängig von weitergehenden Sozialleistungen zu sehen sein. Zählt man diese hinzu, sieht die Einkommenssituation von Werkstattbeschäftigten schon etwas anders aus. Man könnte immer noch sagen, dass dies zu wenig ist – so wie es für andere Bezieher von Sozialleistungen auch zu wenig ist. Werkstätten sind nur als Sozialleistung zu verstehen, als Ergänzung zum Arbeitsmarkt – nicht aber als Teil des Arbeitsmarktes mit Tarifparteien und Mindestlohn.

Im Übrigen sind wir sicher, dass den von Ihnen namentlich erwähnten und abgebildeten Werkstattbeschäftigten die persönliche Bedeutung der Werkstatt als ein zentraler Ort ihrer Lebenswelt sehr bewusst ist. Mit der Bild-Text-Gestaltung ihres Artikels machen Sie diese Beschäftigten zu Kronzeugen von Thesen, die sie gar nicht teilen.

Vorstand LAG WfbM Brandenburg e.V.

Kooperations- und Zielvereinbarung der Brandenburger Werkstätten für behinderte Menschen

Kooperations- und Zielvereinbarung der Brandenburger Werkstätten für behinderte Menschen

Werkstätten für behinderte Menschen sind ein wichtiger Teil der inklusiven Arbeitswelt – als dauerhaftes Angebot zur beruflichen Teilhabe und als Brücke in den allgemeinen Arbeitsmarkt. In Anwesenheit von Ursula Nonnemacher (Ministerin für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz), Liane Klocek (Präsidentin des Landesamtes für Soziales und Versorgung), Roland Seeger (Vorsitzender der LAG der Werkstatträte Brandenburg e.V.) und Frank-Michael Würdisch (Vorsitzender der LAG der Werkstätten für behinderte Menschen Brandenburg e.V.) wurde heute in Fürstenwalde die Kooperations- und Zielvereinbarung unterzeichnet, in der wichtige fachliche Standards für die berufliche Bildung und die Durchlässigkeit zum allgemeinen Arbeitsmarkt festgeschrieben sind. Die persönliche Wahrnehmung dieses Termins durch hochrangige Vertreterinnen von Politik und Verwaltung freut uns auch als Zeichen der Wertschätzung und als ein wichtiges Statement für die Zukunft der Werkstätten als Institution.

Kooperations- und Zielvereinbarung | 1,02 MB